Innovationen in der Nahrungsmittelproduktion – was werden wir in Zukunft auf unseren Tellern finden?
Die stetig wachsende Weltbevölkerung führt zu einem immer höheren Bedarf an Nahrungsmitteln. Gleichzeitig gehen die Ernteerträge zurück und es werden immer mehr landwirtschaftliche Flächen benötigt. Dies hat negative Auswirkungen auf die Umwelt, da z. B. Waldflächen gerodet und intensive Formen der Landwirtschaft betrieben werden. Die Nahrungsmittelproduktion ist somit ein wichtiger Faktor des Klimawandels.
Das Bewusstsein und Interesse der Verbraucher:innen an nachhaltig produzierten Lebensmitteln nimmt jedoch zu. Gleichzeitig lehnen viele Menschen die Idee von Einschränkungen ab. Während die einen auf die Umwelt und Klimaschäden hinweisen, fürchten die anderen steigende Lebensmittelpreise. Die Diskussionen zeigen, Ernährung ist ein globales Thema, aber auch ein sehr individuelles Thema. Was kann also getan werden?
Das Thema wurde von BIO.NRW.eco am 17. März in dem Webinar Food Innovations with Biotech aufgegriffen.
Food Tech-Innovationen bieten neue Technologien, um Nachteile in der Lebensmittelproduktion zu verbessern. Die Konsument:innen erhalten so nachhaltigere Alternativen zu bestehenden Produkten, ohne verzichten zu müssen. Eine der Technologien, um neue Lebensmittel zu kreieren, ist die Biotechnologie. Sie wird schon seit Tausenden von Jahren für die Lebensmittelproduktion eingesetzt, z. B. für Bier, Wein, Brot oder Käse. In den letzten Jahren haben in diesem Bereich allerdings rasante Entwicklungen stattgefunden, die das Potenzial haben, unsere Ernährung auf den Kopf zu stellen.
BIO.NRW.eco hat daher Wissenschaftler:innen und Start-ups eingeladen, ihre Vision einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion vorzustellen. 133 Zuschauer aus allen Teilen der Welt haben dabei gespannt verfolgt, was wir in Zukunft auf unseren Tellern finden werden.
Ein Thema, das immer wieder in die Kritik kommt, ist die Fleischproduktion. Auf Grund von Treibhausgasemissionen sowie Flächen- und Wasserverbrauch trägt sie erheblich zum Klimawandel bei. Kein Wunder also, dass immer mehr Verbraucher:innen Alternativen wählen. Dabei stellte Alexander Kolf vom Projekt Polyfoods in seinem Vortrag jedoch richtig fest: „taste must come first“, sonst sei das Konzept „weniger Fleisch“ nicht erfolgreich. Polyfoods stellt Mycoprotein fermentativ her, um daraus Wurst- und Fleischalternativen zu fertigen. Die Fermentation verbraucht dabei weniger Wasser und erzeugt weniger CO2 im Vergleich zur Fleischproduktion. Und das beste: eingesetzt werden Nebenströme der Lebensmittelindustrie, so dass keine zusätzlichen landwirtschaftlichen Flächen benötigt werden.
Zum Thema alternative Fleischproduktion wird oft auch die zelluläre Landwirtschaft genannt. Sogenanntes Fleisch aus der Petrischale hat in der Vergangenheit große mediale Aufmerksamkeit erhalten. Weniger bekannt ist allerdings, dass sich dieses Prinzip auch auf pflanzliche Produkte anwenden lässt. “Wozu aus der Petrischale, wenn’s eigentlich vom Feld kommt?” könnte man sich fragen. Die Erklärung lieferte Dr. Heiko Rischer von VTT in seinem Vortrag. Er erläuterte, dass im Jahr 2050 der Nahrungsmittelbedarf um 60% gestiegen sein wird, wobei nur 2% mehr Anbaufläche zur Verfügung stehen werden. Zudem könnte der Klimawandel in der Zukunft dazu führen, dass wir bestimmte Produkte, wie z. B. Kaffee, nicht mehr so anbauen können, wie wir es heute tun. Und wer möchte schon auf Kaffee verzichten? Dr. Rischers Lösungsansatz: neue Nahrungsmittelquellen erschließen. Zelluläre Landwirtschaft bietet hier den Vorteil, dass sie die Abhängigkeit von landwirtschaftlichen Flächen reduziert. Als Beispiel stellte er die Kaffeeproduktion durch Zellkultur vor. Der sogenannte „beanless coffee“ ist eine nachhaltige Option zum Bohnenkaffee und hat bereits Schlagzeilen gemacht. Das Prinzip ist aber vielseitig für verschiedene Lebensmittel einsetzbar.
Was wäre Kaffee ohne Schokolade? Aber auch der Kakaoanbau ist nicht immer nachhaltig und geht teils mit der Rodung von Regenwaldflächen oder auch Kinderarbeit einher. Geht das vielleicht auch anders? „Ja!“ behaupten Kevin Schmitz und Anna-Lena Krug von der Firma QOA. Das gleichnamige Produkt kommt nämlich ganz ohne Kakaobohnen aus. Durch Fermentation werden das sogenannte QOA-Pulver und die QOA-Butter gewonnen. Beides wird dann anstelle von Kakaomasse und -butter zu dem schokoladig-leckeren Produkt verarbeitet, das der Schokolade in puncto Aussehen und Geschmack in nichts nachsteht. Davon konnten sich die Mitarbeiterinnen von BIO.NRW selbst überzeugen und waren begeistert von der Qualität des Produkts.
Süß geht es auch bei Dr. Marcel Hövels von der Universität Bonn zu. Als Teil des Projekts IMPRES arbeitet er an der mikrobiologischen Herstellung von Präbiotika und kalorienarmen Süßstoffen aus Saccharose und Stärke. Warum das notwendig ist? Viele Verbraucher:innen wissen nicht, dass die künstlichen Süßstoffe auf Basis von Erdöl hergestellt werden und sich zudem auch noch in der Umwelt anreichern können. Das Projekt entwickelt mit Hilfe der Biotechnologie Alternativen, die nicht nur süß, sondern auch nachhaltig sind.
Aber bei Lebensmitteln zählt nicht nur der Geschmack, sondern auch Aussehen und Inhaltsstoffe. Carotinoide kennen viele, z. B. als Inhaltsstoffe von Karotten. Dabei handelt es sich um starke Farbstoffe, die als Antioxidantien aber auch einen positiven Effekt auf die Gesundheit von Mensch und Tier haben. Neben dem Einsatz im Lebensmittelbereich sind Carotinoide z. B. auch in Kosmetika zu finden oder als Futtermittelzusatz bei Zuchtlachs. Dr. Florian Meyer von der Universität Bielefeld erklärte in seinem Vortrag, dass ca. 80 – 90% der Carotinoide derzeit mit fossilen Rohstoffen produziert werden. Die biotechnologische Herstellung sei derzeit noch teuer und wenig effizient. Das will Dr. Meyer mit dem Projekt Karotec ändern. Er stellte den Ansatz vor, Carotinoide mit Hilfe von Corynebacterium glutamicum zu produzieren. Das Bakterium wird derzeit schon für die industrielle Herstellung von Lebensmittelzusätzen wie beispielsweise Glutamat eingesetzt. Die biotechnologische Carotinoidherstellung ließe sich auch in ein Kreislaufprojekt integrieren, wobei Nebenströme der Aquakultur als Ausgangsmaterial für den Prozess eingesetzt werden. Das gewonnene Carotinoid könnte dann anschließend wieder für die Fütterung in der Aquakultur verwendet werden.
Für eine ganzheitliche Betrachtung nachhaltiger Lebensmittel sind nicht nur die Inhaltsstoffe entscheidend, sondern auch die Verpackung. Das Projekt Proteinschichten innerhalb des Innovationsraums NewFoodSystems beschäftigt sich mit der Entwicklung essbarer Verpackungskonzepte auf Basis von Proteinen. Ein Beispiel für die Anwendung von Proteinschichten ist die Substitution tierischer Wurstdärme. Vorgestellt wurden das Projekt und der Innovationsraum von Prof. Dr. Sabine Kulling vom Max Rubner-Institut und Dr. Alexander Stephan von der VAN HEES GmbH. NewFoodSystems ist ein weiteres gutes Beispiel für die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Industrie für eine nachhaltigere Wirtschaft.
Das Webinar machte deutlich, dass die Biotechnologie in vielen verschiedenen Bereichen der Nahrungsmittelherstellung Anwendung finden kann. Sie bietet dabei nachhaltige Alternativen für die Produktion von Nährstoffen und Inhaltsstoffen. Lebensmittel aus dem Bioreaktor werden wir in Zukunft also häufiger auf unseren Tellern finden.
Wir bedanken uns bei allen Referierenden und Teilnehmenden für die spannenden Vorträge und interessanten Diskussionen. All die guten Beiträge haben zum Gelingen des Webinars beigetragen. Zudem geht unser Dank an unseren Partner BioIndustry e. V. und an das Team der Bio Clustermanagement NRW GmbH für die technische Umsetzung der Veranstaltung.
Bildquelle: BIO.NRW