BIO.NRW MEDICA-Forum: “Infektionskrankheiten – Herausforderungen für innovative Ansätze in der Therapie und Diagnostik“
Mit Beginn der Covid-19-Pandemie Anfang 2020 in Deutschland haben durch Krankheitserreger hervorgerufene Erkrankungen eine ungeahnte Aufmerksamkeit erhalten. Themen wie „Diagnostik“, „Erregeridentifizierung“, „Ansteckung“, „Impfung“ und „Therapien“ wurden ausgiebig unter Experten und innerhalb der Bevölkerung diskutiert. Aber auch ohne pandemisches Geschehen sterben weltweit jedes Jahr Millionen Menschen an Infektionskrankheiten, die eigentlich behandelt werden könnten.
Mit dem BIO.NRW MEDICA-Forum am 14.11.2022 wurde das Augenmerk auf Herausforderungen gelegt, denen sich Experten bei der Entwicklung von innovativen Ansätzen in der Therapie und Diagnostik stellen müssen.
Nach den Grußworten von Dr. Sabine Blankenship aus dem Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes NRW übernahm Herr Dr. Klaus-Michael Weltring von der Gesellschaft für Bioanalytik Münster e. V. die Moderation des MEDICA-Forums.
Im ersten Beitrag stellte Herr Dr. Peter Haug von der Noscendo GmbH den neuen Weg der schnellen und sensitiven Pathogen-Identifizierung von Patienten in kritischen Situationen über „DISQVER®“ vor. DISQVER® vergleicht auf Basis von NGS Daten und deren bioinformatischer Analyse die DNA der Probe mit der aus einer Referenzdatenbank (bestehend aus 16000 Mikroben). Die schnelle und quantitative Auswertung der identifizierten Pathogene geht den behandelnden Ärzten direkt zu und ermöglicht so die Nachjustierung der bereits begonnenen Therapie. DISQVER® detektiert nachweislich deutlich häufiger klinisch relevante Pathogene (insbesondere auch welche, die man in bestimmten Krankheitsgeschehen nicht erwarten würde), als die konventionelle Diagnostik. Durch die gezieltere Therapie genesen die Patienten schneller, erhalten insgesamt weniger Antibiotika und entwickeln weniger Nebenwirkungen. Somit wird durch den Einsatz von DISQVER® auch das Gesundheitssystem entlastet.
Dr. Thomas Winkelmüller präsentierte die Entwicklungen der BioEcho Life Sciences GmbH. Das in 2016 gegründete Unternehmen hat sich auf die Extraktion und Verarbeitung von Nukleinsäuren wie DNA und RNA spezialisiert. Nukleinsäuren in gereinigter Form finden inzwischen in vielen Bereichen – wie z. B. der medizinischen Diagnostik, der Genomforschung oder der Forensik – als Probenmaterial Anwendung. Das in Köln ansässige Unternehmen hat durch seine technologischen Entwicklungen die Verarbeitung von Nukleinsäuren deutlich einfacher und schneller gemacht. Nach nur einem Arbeitsschritt steht das Probenmaterial (DNA, RNA) zur Verfügung. Das kürzere Aufreinigungsverfahren führt gleichzeitig zu einer relevanten Reduktion des durch den Prozess verursachten Plastikabfalls. Beide Vorzüge des Verfahrens haben in pandemischen Zeiten eine ganz besondere Relevanz. Der Erfolg gibt dem jungen Unternehmen Recht. Seit September 2022 hat BioEcho eine Niederlassung im Biotechnologie-Hub in Boston in den USA.
Nach den Beiträgen zur Diagnostik von Infektionskrankheiten widmete sich das BIO.NRW MEDICA-Forum innovativen Ansätzen in der Therapie.
Prof. Dr. Stephan Ludwig von der Westfälischen Wilhelms-Universität in Münster forscht am Institut für Molekulare Virologie an Signalübertragungsvorgängen innerhalb von Zellen und ihre Bedeutung z. B. für Infektionsprozesse. Viren benötigen als intrazelluläre Parasiten wirtseigene Faktoren und Prozesse, um sich vermehren zu können. In dem Vortrag von Prof. Ludwig zu Wirts-gerichteten Therapien bei akuten viralen Atemwegerregern ging es zuerst um die Vorstellung, welche Stoffwechselwege der Zellen und welche zellspezifischen Faktoren in unseren Zellen von Viren genutzt werden, um sich effizient replizieren und vermehren zu können, was dann zu Erkrankungen führt. Ziel ist es, auf diesem Weg wirtsspezifische Angriffspunkte zu identifizieren, die sich für die Entwicklung einer antiviralen Therapie eignen könnten. Da bei diesem Therapieansatz der Wirt und nicht ein individueller Erreger im Fokus der Entwicklungen steht, ist anzunehmen, dass diese antiviralen Medikamente gegen verschiedene Erreger wirksam sind. Prof. Ludwig stellte in seinem Vortrag einige spannende Ergebnisse aus seiner Forschung in Kooperation mit verschiedenen Wissenschaftlern in Deutschland und dem Start-up „Atriva Therapeutics“, welches er selber mitgründete, vor.
Dr. Andreas Kühbacher von der AiCuris Anti-infective Cures AG berichtet im BIO.NRW MEDICA-Forum über die inzwischen sechszehnjährige Erfahrung des Unternehmens im Bereich der Antiinfektiva-Forschung und den neuen Ansatz des AiCubators. Um die Entwicklung neuer Therapeutika voranzutreiben, engagiert sich AiCuris sowohl in der Forschung als auch in der präklinischen und, mit zur Zeit vier Kandidaten, in der klinischen Entwicklung. Ganz neue therapeutische Ansätze sind z.B. die Behandlung von BK-Virusinfektionen in Nierentransplantierten und Resistenz-brechende Ansätze für Sepsis-Patienten und bakterielle Infektionen an diabetischen Füßen. Mit dem AiCubator bietet das Unternehmen frühen Entwicklungskandidaten im Bereich der Antiinfektiva aus kleinen Biotech-Unternehmen und akademischen Einrichtungen drei Jahre Unterstützung. Das Angebot umfasst wissenschaftliche Unterstützung, finanzielle Beratung und Geschäftsexpertise. Danach gibt es zwei Optionen, entweder trennen sich die Partner wieder, oder man wandelt die Zusammenarbeit in eine langfristige Partnerschaft um.
Für den dritten AiCubator-Aufruf (Start am 1. Oktober) können in Q4 2022 Projekte eingereicht werden. Nach der Bewertung in Q1 2023 ist der Projektstart für April 2023 vorgesehen.
Die vielfältigen Themen des diesjährigen BIO.NRW MEDICA-Forums boten neben interessanten Informationen auch vielfältige Anknüpfungspunkte für Diskussionen.